Wie tickt Wladimir Putin? Dass der Ex-KGB-Agent ein knallharter Machtmensch ist, hat er in dieser Woche einmal mehr eindrucksvoll bewiesen. Binnen weniger Stunden eskalierte er den Ukraine-Konflikt - wie aus dem Autokraten-Lehrbuch. Dahinter steckt Machtstreben, gekränkter Stolz und ein verklärtes Geschichtsverständnis.
Erst ließ Putin die Rebellenführer der selbsternannten „Volksrepubliken“ in der Ostukraine eine Bitte um Anerkennung vortragen, die er dann wenige Stunden später positiv beschied, um gleich darauf die Entsendung russischer Truppen zum „Friedenserhalt“ in die Separatisten-Gebiete zu verkünden. Am Dienstag stellte er schließlich einen Antrag beim russischen Oberhaus auf einen Militäreinsatz im Ausland - dieser wurde genehmigt.
Dass die Soldaten bereits an den Grenzen zur Ukraine stehen, dafür hat der ehemalige KGB-Agent, der die Geschicke Russlands seit der Jahrtausendwende bestimmt, bereits seit Wochen gesorgt. Nach westlichen Angaben sind es mehr als 150.000 - kein Wunder, dass viele die Sorge umtreibt, das Russland unter Putin könne sich womöglich die ganze Ukraine einverleiben. Die Halbinsel Krim hatte Putin bereits 2014 annektiert, genauso lange kämpfen pro-russische Separatisten und ukrainische Soldaten im Donbass.
Putin: „Befreiung von einem ausländischen Besatzer“
Was Putin von der Eigenständigkeit der ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine hält, bekräftigte er am Montag in seiner TV-Ansprache noch einmal: Die Ukraine sei von Lenin, dem Gründer der Sowjetunion, „geschaffen“ worden. Ukrainische Soldaten verübten gar einen „Genozid“ in den Separatisten-Gebieten, behauptete der für seine Macho-Posen bekannte Putin, der bereits Artikel über die „historische Einheit von Russen und Ukrainern“ schrieb.
- Alle aktuellen Entwicklungen in der Ukraine-Krise: Russland-Ukraine-Konflikt - Putin schickt Truppen in die Ostukraine - laut Ukraine-Sender sind Soldaten bereits vor Ort
Ohnehin glaubt der aus einem Arbeiterhaushalt stammende 69-Jährige, dass die Ukrainer eher pro-russisch sind und alle anderen Tendenzen wie die Demokratiebewegungen Ergebnis von Manipulationen des Westens sind. Aus Sicht des Kremls diene ein Angriff auf die Ukraine der „Befreiung von einem ausländischen Besatzer“, sagt die Politikexpertin Tatjana Stanowaja.
Annäherung an den Westen verpuffte schnell
Schon vor einigen Jahren hatte Putins Ausspruch, der Zusammenbruch der Sowjetunion sei die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ gewesen, viele im Westen aufhorchen lassen. Wie der einst in Dresden stationierte KGB-Agent, der fließend Deutsch spricht, dürften zahlreiche Russen den Zusammenbruch des Kommunismus als Demütigung empfunden haben - für diejenigen, die sich bei der Privatisierung in den chaotischen Jahren unter Putins Amtsvorgänger Boris Jelzin nicht persönlich bereicherten, bedeutete er oft auch Armut.
Während der 1952 im damaligen Leningrad geborene Putin spätestens mit seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 2000 den ganz großen Aufstieg geschafft hatte, blieb er dem Denken der einstigen Weltmacht dennoch verhaftet. Sein Versuch einer Annäherung an den Westen zu Beginn seiner Amtszeit - deutlich ausgedrückt in seiner Rede im Bundestag 2001, die er zu großen Teilen in fließendem Deutsch hielt - verpuffte bald.
Als Putin seinem Mitschüler das Bein brach sagte er: „Manche verstehen nur Gewalt“
Die über die Jahre erfolgte Ausdehnung des westlichen Militärbündnisses Nato in die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes beunruhigen ihn nach eigener Aussage sehr. Nun fordert Putin sogar die Rücknahme der Nato-Osterweiterung und betont, mit einer möglichen Aufnahme der Ukraine wäre seine rote Linie definitiv überschritten. Beobachter sehen darin Rachegelüste, gepaart mit dem Wunsch, die Zeit zurückzudrehen.
Eine Lebensweisheit habe er aus seiner Jugend mitgenommen, erzählte der Judoka Putin 2015: „Wenn der Kampf unvermeidbar ist, muss man als Erster zuschlagen.“ Seine Lehrerin Vera Gurewitsch berichtete, als Putin im Alter von 14 Jahren einem seiner Mitschüler das Bein brach, habe er gesagt, dass manche „nur Gewalt verstehen“. Als Staatschef scheute er in der Außenpolitik denn auch nie vor militärischen Konfrontationen zurück - ob in Tschetschenien, Georgien oder später in Syrien und Libyen.
Putin – ultimativer Gegner der Demokratie
Dass er von Demokratie nichts hält, bewies Putin in seiner Karriere zur Genüge. Dem russischen Parlament entzog er zahlreiche Befugnisse, kritische Medien ließ er schließen oder auf Linie bringen. Auch mit widerspenstigen Oligarchen ging er alles andere als zimperlich um. Putin-Gegner landen regelmäßig im Gefängnis. Morde an nicht-Kreml-treuen Journalisten oder anderen Widersachern gibt es immer wieder.
Auch bei Wahlen überlässt Putin nichts dem Zufall - Berichte über massive Fälschungen zugunsten Putins und seiner Partei Geeintes Russland sind bei allen Urnengängen an der Tagesordnung. Obwohl er bereits seit zwei Jahrzehnten an der Macht ist, sicherte er sich durch eine Verfassungsänderung die Möglichkeit, bis 2036 im Amt zu bleiben.
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