Eurokrise kann Deutschland nicht viel anhaben.
Die Schuldenkrise erschüttert den Euro-Raum, ganze Staaten fürchten die Pleite. Nur Deutschland geht es prächtig. Kann das so weitergehen?
Was für ein Kontrast: Während in Brüssel die Staats- und Regierungschefs Ende dieser Woche darum rangen, wie das Jahrhundertprojekt Euro zu retten sei, strotzt Deutschland – immerhin die größte Volkswirtschaft des angeschlagenen Euro-Raums – nur so vor Kraft. Der Ifo-Index als wichtigstes Stimmungsbarometer deutscher Unternehmen stieg in dieser Woche zum siebten Mal in Folge und erreichte den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung.
„Die Konjunktur ist das reinste Wintermärchen“, jubelte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Ähnlich eindrucksvoll präsentierte sich der Einkaufsmanagerindex des Informationsdienstes Markit, der als guter Frühindikator für die Industriekonjunktur gilt. Nach einer Schwächephase im Spätsommer kletterte der Index diese Woche wieder auf ein Niveau, das in den Nullerjahren nur ein einziges Mal – im April 2000 – erreicht worden war. Katerstimmung, Krisensorgen? In den Vorstandsetagen deutscher Konzerne und Mittelständler findet sich davon keine Spur.
Im Gegenteil: Zuletzt schien es fast so, als würde die Krise der Gemeinschaftswährung die deutsche Wirtschaft sogar beflügeln. Steigende Industrieproduktion, wachsende Auftragseingänge und eine schier überbordende Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern stehen in scharfem Kontrast zur Misere vieler Euro-Partner. Doch daraus nun zu folgern, Deutschland sei womöglich sogar ein Gewinner der Krise, wäre ein Trugschluss.
Zugegeben – ein wenig schmeichelt es schon, dass Deutschland, einst als „kranker Mann Europas“ verlacht, in diesem Jahr zum „Powerhouse Deutschland“ geworden ist, wie das britische Wirtschaftsmagazin „Economist“ unlängst titelte. Knapp vier Prozent dürfte das Wachstum 2010 hierzulande betragen, fast doppelt so viel wie im Rest der Euro-Zone. Für 2011 erwarten die Ökonomen zwar ein gedrosselteres Tempo, die Spitzenposition unter den großen Euro-Mitgliedern wird das Land aber so schnell wohl nicht abgeben.
„Deutschland steht vor einer Reihe fetter Jahre mit einem kraftvollen Aufschwung, sinkender Arbeitslosigkeit und sinkenden Schulden“, sagt Carsten-Patrick Meier von Kiel Economics. Das Land, das im vergangenen Jahr noch in der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit steckte, profitiert dabei durchaus auch von der Schwäche der anderen.
Vielen Euro-Mitgliedern geht es schlecht
Da es über Irland und Griechenland hinaus vielen Euro-Mitgliedern wirtschaftlich eher schlecht geht, muss die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen weiterhin auf dem Rekordtief von einem Prozent halten. Für den Euro-Raum insgesamt mag das angemessen sein. Auf die boomende deutsche Wirtschaft wirken die extrem günstigen Finanzierungsbedingungen allerdings wie ein zusätzlicher Treibstoff, der Investitionen, Stellenaufbau und letztlich auch das Wachstum weiter befeuert.
Auch der Wechselkurs spielt der deutschen Wirtschaft in die Hände. Zwar ist der Kurs des Euro längst nicht so schwach, wie man es angesichts der Fülle von Krisengipfeln vielleicht denken könnte – zuletzt lag der Wechselkurs bei 1,32 Dollar und damit fast zehn Prozent höher als zu Beginn der Schuldenkrise im Mai. Doch solange Europa schwächelt, ist das Risiko einer deutlichen Aufwertung begrenzt. Deutschland als Export-Vizeweltmeister profitiert davon, denn ein günstiger Wechselkurs verbilligt die Ausfuhren.
Gleichzeitig wirkt sich die Krise vieler Euro-Partner bisher gering aus. „Bei Griechenland oder Irland ist der Anteil deutscher Exporte relativ klein, deshalb betrifft ihre Schwäche die hiesige Wirtschaft nicht so stark“, sagt Andreas Rees, Chefökonom Deutschland von Unicredit. Wichtiger sei, dass das Land die Exporte nach China oder Indien ausgeweitet habe. Die größte Hoffnung aber dürfte Deutschland wohl daraus schöpfen, dass erstmals seit Jahren die Binnenkonjunktur in Gang gekommen ist.
Das sind die wichtigsten Etappen der Eurokrise...
Mit knapp drei Millionen Jobsuchenden ist die Zahl der Arbeitslosen so gering wie seit 1992 nicht mehr. Die sinkende Furcht vor dem Jobverlust und die Aussicht auf steigende Löhne und Gehälter beflügeln den privaten Konsum. „Die mageren Jahre sind vorbei“, sagt Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank. „Wir kommen zurück zum Normalfall. Und der ist, dass auch in Deutschland der private Verbrauch ordentlich wächst.“ Kiel Economics rechnet damit, dass die Lohntüte der Arbeitnehmer zwischen 2010 und 2015 um ein Fünftel größer wird.
Was gerade Politiker aus dem Ausland schon lange fordern – Deutschland müsse sein Geschäftsmodell stärker auf den Konsum ausrichten – könnte also Wirklichkeit werden. Das Land würde tatsächlich zur Konjunkturlok Europas. Doch es gibt – neben den üblichen Risiken etwa durch steigende Rohstoffpreise oder einen Einbruch Asiens – eine Gefahr, die alle konjunkturellen Traumszenarien für Deutschland überschattet: die Staatsschuldenkrise. „Kurzfristig hat Deutschland von der Euro-Krise profitiert“, warnt Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. „Aber daraus den Schluss zu ziehen, Deutschland sei ein Gewinner der Krise, wäre absurd.“
Deutschland ist vom Euro-Raum abhängig
Das verrät schon ein Blick in die Zahlen. Denn trotz der Expansion in die Schwellenländer und trotz aller Erfolge beim Konsum: Über 40 Prozent seiner Exporte liefert Deutschland nach wie vor in den Euro-Raum. Eine Rezession in Spanien, Italien oder gar Frankreich würde schnell auch das hiesige Wachstum bremsen. Einen Vorgeschmack darauf könnte 2011 liefern, wenn die Sparprogramme vieler Euroländer erst richtig greifen und die dortige Nachfrage dämpfen.
„Die deutsche Wirtschaft könnte noch viel stärker wachsen, wenn die Betriebe mehr in die betroffenen Länder exportieren könnten“, sagt Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Zudem besteht nach wie vor die Gefahr, dass die Euro-Krise – ähnlich wie das Finanzdesaster um Lehman Brothers vor zwei Jahren – doch noch eskaliert. Wenn etwa das kriselnde Spanien fällt, könnte das Europas Finanzwelt ins Wanken bringen. Deutsche Institute blieben davon nicht verschont.
Gut möglich, dass die Unsicherheit über die Zukunft des Euro schließlich auch die gute Stimmung der deutschen Unternehmen und Verbraucher zerstört. An den Finanzmärkten jedenfalls steigen die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen inzwischen wieder, weil Investoren fürchten, dass Europa zur Transferunion wird – zulasten Deutschlands. Spätestens 2013 dürfte sich entscheiden, ob wir zur Kasse gebeten werden.
Dann wird der europäische Rettungsschirm in einen dauerhaften Krisen0mechanismus umgewandelt, und Länder wie Irland müssen beweisen, ob sie ihre Sparversprechen einhalten können oder einen Schuldenerlass brauchen. In diesem Fall würden die Garantien Deutschlands fällig werden. Auch eine Umschuldung könnte Sparer und Banken Milliarden kosten. Die Folge wäre womöglich eine Finanzkrise, die auch die Konjunktur in den Abschwung reißen könnte.
Die Ökonomen gehen in ihren Prognosen für die kommenden zwei Jahre nicht von solchen Szenarien aus. Die Wette lautet: Die gute Stimmung im Land wird nicht so schnell abebben – wenn die Euro-Krise nicht weiter eskaliert. Und wenn die Krisenländer ihre Nothilfe und sonstigen Schulden zurückzahlen. Das freilich sind zwei große Wenns.
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Mateo Mathaus -
Anchalee Worrachate and Emma CharltonDec 17, 2010 11:14 am ET
Dec. 17 (Bloomberg) -- Irish government bonds declined and German bunds rose as Moodys Investors Service cut Irelands credit rating, renewing concern that Europe will struggle to stem the debt crisis and boosting demand for the safest assets.
The yield difference, or spread, between Irish securities and German bunds widened even as European Union leaders agreed on a mechanism to contain debt shocks and the European Central Bank said it will raise capital. Moodys lowered Ireland five levels to Baa1 from Aa2 and may cut the rating further as the nation struggles to contain bank losses. Portugals bonds also slid on speculation it could be the next country to seek aid.
The size of the downgrade is somewhat worrisome, said Christopher Rieger, a fixed-income strategist at Commerzbank AG in Frankfurt. Irish debts investor base looks at risk of eroding further, with market participants becoming uneasy.
The yield on Irish 10-year bonds rose 22 basis points to 8.64 percent as of 3:40 p.m. in London. The yield on Portuguese 10-year bonds increased two basis points to 6.58 percent.
German 10-year bunds rose, pushing yields down four basis points to 3.03 percent. The 2.5 percent security due January 2021 advanced 0.31, or 3.1 euros per 1,000-euro ($1,329) face amount, to 95.48. Two-year yields declined three basis points to 1.06 percent.
Bunds pared gains earlier after a report showed German business confidence reached a record in December as domestic demand helped bolster the recovery in Europes largest economy.
German bonds have returned 5.3 percent this year, compared with an 11 percent loss from Irish debt, according to indexes compiled by Bloomberg and the European Federation of Financial Analysts Societies.
Acute Problem
The Irish governments financial strength could decline further if economic growth were to be weaker than currently projected or the cost of stabilizing the banking system turn out to be higher than currently forecast, Moodys said today.
The extra yield that investors demand for holding Irelands 10-year bonds rather than German equivalent, Europes benchmark, rose 12 basis points to 534 basis points today. That spread reached a euro-area record of 680 basis points on Nov. 30.
The Irish downgrade is further bad news for the European sector in general, said David Page, a fixed-income strategist at Lloyds TSB Bank Plc. We are all aware of the problems in Ireland, but it does add to pressures for the wider euro zone. It comes against downgrade warnings on other euro-zone countries including Belgium, Greece, and Spain.
Credit Default Swaps
The cost of insuring against default for Irish government bonds rose 14 basis points to 574, according to data provider CMA, the highest since Nov. 30.
As European governments struggle to stop contagion from Greece and Ireland to other nations, Moodys this week said it may lower Spain from Aa1. It also placed Greeces Ba1 rating on review for a possible downgrade. European Union leaders agreed at a meeting in Brussels yesterday to amend the blocs treaties to create a permanent crisis-management mechanism in 2013.
For now, Germany ruled out topping up the current 750 billion-euro ($1 trillion) emergency fund or using it more flexibly.
German debt outperformed its U.S. counterparts today, with their 10-year yield spread widening two basis points to 38 basis points.
--With assistance from Abigail Moses in London. Editors: Keith Campbell, Paul Armstrong.