Widerstand gegen die Euro-Rettung: Politiker aus FDP und CDU wettern gegen die Idee einer "Transferunion", bei der Deutschland Milliarden überweisen müsste.
Die Diskussion um eine Vergrößerung des Euro-Rettungsschirms strapaziert zunehmend die deutsche Hilfsbereitschaft. Führende Politiker der schwarz-gelben Koalition haben vor weiteren Belastungen gewarnt. „Es kann nicht sein, dass die Steuerzahler für Strukturprobleme in verschiedenen europäischen Staaten ständig aufkommen und ins Risiko gehen“, sagte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg (CDU), der „Welt am Sonntag“.
Foto: dapd/DAPD Unter Druck: Bundeskanzlerin Angela Merkel muss sich mahnende Worte aus den Reihen von CDU und FDP anhören
Es sei „wagemutig, bereits heute von einem Aufstocken des Schutzschirms zu reden, ohne den Bundestag einzubinden“.
Dautzenberg reagierte damit auf eine Äußerung von Bundesbank-Chef Axel Weber, der eine Erhöhung ins Spiel gebracht hatte (hier). In der EU-Kommission wird sogar über eine Verdoppelung des 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirms nachgedacht. Deutschland trägt an dem Hilfsmechanismus, der von der Pleite bedrohte Staaten mit Bürgschaften stützen soll, den größten Anteil.
Die Euro-Sorgenkinder
Das kleine Land im Nordwesten des Kontinents mit 4,5 Millionen Einwohnern hat in der Finanzkrise einen Tiefschlag nach dem anderen einstecken müssen. Die Banken verspekulierten sich mit überteuerten Immobilien, der Staat musste sie mit Milliarden stützen. Für die Bankenrettung werden bis zu 50 Milliarden Euro veranschlagt - bei einem Bruttoinlandsprodukt von 160 Milliarden Euro ein unglaublicher Kraftakt. Das Haushaltsdefizit steigt in diesem Jahr auf astronomische 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Im Gegensatz zu Portugal und Griechenland hatte sich Irland – als es noch der „keltische Tiger“ war – aber eine starke ökonomische Basis geschaffen. Mit extrem niedrigen Steuern lockte die Regierung Investoren aus aller Welt an. Auch aktuell wachsen die Exporte, die Industrieproduktion geht steil nach oben, die Arbeitslosenquote beginnt zu sinken. Zudem sollen die finanziellen Mittel nach Regierungsangaben bis Mitte 2011 reichen. Das Land will deshalb dem wachsenden Druck nicht nachgeben und um Finanzhilfe bitten, sondern sich selbst aus dem Schlamassel ziehen.
Das strukturschwache Portugal mit 10 Millionen Einwohnern hat im zurückliegenden Jahrzehnt weit über seine Verhältnisse gelebt. Seit der Jahrtausendwende wächst das ärmste Land Westeuropas mit einer Durchschnittsrate von unter einem Prozent deutlich langsamer als die meisten anderen Staaten des Kontinents. Das Wachstum wird von schwacher Investitionstätigkeit, geringer Produktivität und einer vergleichsweisen schlechten Ausbildung der Bevölkerung gebremst. Das Wachstumspotenzial wird als niedrig bewertet.
Die Neuverschuldung nahm in den vergangenen Jahren stetig zu und erreichte 2009 ein Rekordniveau von rund 9,4 Prozent. Die Staatsschulden Portugals lagen Ende 2009 bei 109 Prozent des BIP. Frische Geldmittel erhielt Lissabon zuletzt nur zu Rekordzinsen. Mit nie dagewesen Sparmaßnahmen soll das Defizit 2010 auf 7,3 und 2011 auf 4,3 Prozent gedrückt werden.
Griechenland konnte im Frühjahr letztlich nur durch Zusagen der anderen Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor dem Staatsbankrott gerettet werden. Das Land mit 11 Millionen Einwohnern hat dauerhaft über seine Verhältnisse gelebt, fehlende Einnahmen wurden ständig über neue Schulden ausgeglichen. Die Hauptursachen der Misere werden im überdimensionierten Staatssektor gesehen, in der fehlenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Vertuschung der tatsächlichen Lage der griechischen Finanzen vor den zuständigen Stellen der EU.
Der griechische „Wasserkopfstaat“ muss etwa eine Million Beamte und Angestellte bezahlen. Kein anderer EU-Staat hat mehr Staatsbedienstete. Fast jeder fünfte Arbeitnehmer in Griechenland ist vom Staat abhängig. Tourismus und Handelsschifffahrt sind die wichtigsten Devisenbeschaffer, doch beide Wirtschaftszweige litten unter der Krise. Das Haushaltsdefizit erreichte 2009 nach mehrmals korrigierten Zahlen die Rekordhöhe von 15,4 Prozent des BIP. Mit drastischen Sparmaßnahmen soll es bis 2014 unter die Marke von 3 Prozent gedrückt werden.
Spanien sieht sich immer wieder Angriffen an den Börsen ausgesetzt. Im Frühjahr kursierten Gerüchte, das Land wolle einen Rettungskredit von 280 Milliarden Euro beantragen. Madrid will in den kommenden drei Jahren ein Sparprogramm von 50 Milliarden Euro umsetzen, um das Staatsdefizit von zuletzt 11,2 Prozent zu drücken.
In Italien ist nicht die Neuverschuldung das Hauptproblem, die im vergangenen Jahr bei vergleichsweise niedrigen 5,3 Prozent lag. Italien leidet aber unter einer sehr hohen Gesamtverschuldung. Diese dürfte in diesem Jahr laut EU-Kommission auf 118,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Das ist EU-weit der zweithöchste Wert nach Griechenland (124,9 Prozent). dpa/AFP
Die FDP lehnt einen größeren Rettungsschirm ab. „Das führt zu einer Transferunion, da machen wir nicht mit“, sagte Volker Wissing, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Jedes Land müsse für seine Schulden selbst verantwortlich bleiben. „Daran halten wir eisern fest.“ In einer Transferunion müssen die starken die schwachen EU-Staaten unterstützen, ähnlich wie beim Länderfinanzausgleich der Bundesrepublik. Im Extremfall würde das Deutschland 260 Milliarden Euro jährlich kosten, hat der Ökonom Kai Konrad vom Max-Planck-Institut in München für die „Welt am Sonntag“ berechnet (hier).
Statt eines unbegrenzten Schutzschirms schlägt die Bundesregierung einen permanenten Krisenmechanismus vor, der auch eine finanzielle Beteiligung von privaten Gläubigern bei möglichen Staatspleiten beinhaltet. Banken müssten dann auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. „Das durchbricht den gegenwärtigen Teufelskreis und schafft klare Bedingungen“, sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister. Auch liege „darin das gebotene Signal gegen eine Transferunion“.
Der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel steigt: In der Koalition wird gefordert, dass sie eine weitgehende Beteiligung von Gläubigern durchsetzt. Dagegen aber regt sich in der EU Widerstand. Selbst mit dem bisherigen Euro-Verbündeten Frankreich ist sich die Regierung in Detailfragen nicht einig.
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